The Endless Summer

Es gibt nicht viele Orte auf der Weltkarte, die einen Mythos verkörpern. Goa in Indien ist vielleicht so ein Ort. Und Byron Bay ist so ein Ort. Byron, wie man hier sagt, ist der Prototyp des Surferpardieses schlechthin. Der Name ist untrennbar mit dem Bild des VW T1 – des originalen Bullis – mit dem Surfbrett auf dem Dach verbunden.

Surfen ist mehr als nur ein Sport, es ist eine Lebenseinstellung und diese Lebenseinstellung ist hier zu Hause, wo die Wellen am perfektesten sein sollen und sich über Jahrzehnte Hippies und Aussteiger angesiedelt haben.

Viel zu tun gibt es hier nicht, denn alles dreht sich ums Wellenreiten und so klemme auch ich mir wieder ein Brett unter den Arm und stürze mich in die Fluten, um auf diese Weise ein ganz kleines Bisschen vom Mythos in mich aufzusaugen.

Surfen zählt nicht zu den Dingen, die man auf Anhieb beherrscht, Surfen zu können muss man sich verdienen. Man braucht ein bisschen Talent und vor allem Frustrationstoleranz – und so übe ich jeden Tag, paddele raus bis die Arme nicht mehr können und verbringe kleine Unendlichkeiten damit, auf die perfekte Welle zu warten. Im Gegensatz zum wirklichen Leben gibt es ihn beim Surfen nämlich tatsächlich, den perfekten Moment, den richtigen Zeitpunkt. Man muss geduldig sein und gelassen all die Wellen passieren lassen, die nicht gut genug sind. Es ist ein ziemlich großer Aufwand, den man für die 30 Sekunden Wellenreiten betreibt und es ist sauanstrengend. Mehr als zwei Sessions von ca. eineinhalb Stunden sind am Tag – jedenfalls für mich – nicht zu schaffen. Dazwischen muss man sich erholen. Vermutlich ist das auch der Grund dafür, dass man Surfer entweder im Wasser oder beim Nichtstun sieht.

Ich bin sofort infiziert vom lässigen Lifestyle, aber auch vom Surfen selbst. Es ist anspruchsvoll und aufregend, es erfordert (Körper-)Beherrschung, Gelassenheit und Durchhaltevermögen. Es ist aktiver als Fallschirmspringen und bringt mehr Erfolgsgefühl als Tauchen. Wenn ich nicht im Wasser bin, will ich sofort wieder rein. Muskelkater und Schmerzen sind dann vergessen.

Ist das hier nur die Anfangsbegeisterung, die allen neuen Abenteuern innewohnt oder ist das vielleicht der Beginn von was Größerem? Leider habe ich nur fünf Tage Zeit in diesem Paradies und heute Nacht fahre ich bereits nach Sydney. Ich checke im Internet, wie die Surfmöglichkeiten in Neuseeland sind. Anscheinend gut, auch wenn es dort um einiges kälter ist. Längst fühle ich mich bereit, es ganz alleine zu versuchen und ehe ich mich versehe, stehe ich im Surfladen vor den Neoprenanzügen. Sowas brauche ich doch sowieso zum Tauchen oder nicht?

Dieser östlichste Zipfel Australiens war bis jetzt das Schönste, was ich von diesem Land gesehen habe und vielleicht hat sich der Stop auf diesem Kontinent schon allein hierfür gelohnt. Ich werde ein klein bisschen vom Surferlifestyle im Herzen mitnehmen und freue mich schon jetzt auf die Wellen in Neuseeland.

Unter Segeln

Weit über 1000 Kilometer habe ich bis hierhin auf Booten zurückgelegt. Alles war dabei: Ruderboote, Schlauchboote, Holzboote, Fischerboote, Katamarane und ein Flusskreuzfahrtschiff. Slow-Boote und Speedboote, Massentransportmittel und Privatbeförderung. Mal hatte ich eine Einzelkabine, manchmal habe ich auf Deck geschlafen und wieder andere Male fühlte ich mich wie auf einem hoffnungslos überladenen Flüchtlingsboot. Einige Boote wurden mit dem klassischen asiatischen Longtail-Motor angetrieben und manche hatten sage und schreibe sechs 500 PS starke Außenbordmotoren.

Aber erst jetzt in Australien, bin ich das erste Mal wieder auf einem Segelboot. Die „Broomstick“ war in ihrem früheren Leben mal eine Regatta-Yacht. Das 23,2 Meter lange Extremsportgerät wurde in Südafrika gebaut und hat an den bedeutendsten Hochsee-Regatten der Welt teilgenommen, bis sie zur Touristenbespaßung ausgebaut wurde und jetzt 28 (!) Menschen beherbergen kann. Der Rennspirit ist trotzdem noch voll da. Auf dem Boot finden sich 15 Winschen, die größten von ihnen haben die Ausmaße von 50-Liter-Bierfässern und verfügen über Dreigang-Getriebe. Die sogenannten Coffee-Grinder werden von zwei Mannschaftsmitgliedern an einer in der Bootsmitte festmontierten Kurbelanlage bedient. Sowas kannte ich bislang nur aus dem Fernsehen.

Aber nicht nur die Yacht, auch die Whitsundays haben einiges zu bieten. Schon James Cook segelte 1770 durch die 74 Inseln und gab ihnen ihren heutigen Namen, „Pfingstsonntagsinseln“.

Es sieht aus wie in der Karibik, vielleicht ja sogar besser, warum sonst wurden hier Teile des aktuellen „Fluch der Karibik“-Films gedreht? Die unendlichen Strände, allen voran der legendäre Whitehaven-Beach gelten mit einem Quarzgehhalt von 99 Prozent als weißeste der Welt. Ins Wasser kann man trotzdem nur mit einem Stingersuit. Ohne den Burkini wäre es hier lebensgefährlich, denn natürlich sind in Australien auch die Quallen potentiell tödlich.

Die Whitsundays gelten nicht umsonst als eines der besten Segelreviere der Welt, denn das Great Barrier Reef dient als natürlicher Unterwasserwellenbrecher, während der Wind ungebrochen bleibt. Keine Wellen und 25 Knoten Wind sind so ziemlich das, was man als bestes Segelwetter bezeichnet. So erreichen wir trotz maximaler Menschenfracht eine angenehme Reisegeschwindigkeit von zwölf bis dreizehn Knoten. Erst, wenn das Wasser dank der Krängung leeseitig auf das Boot läuft, fängt es an, Spaß zu machen.

28 Leute auf einem 23-Meterboot sind jedoch schon recht nah an der Schmerzgrenze; für vier Tage jedoch gerade noch auszuhalten. Zum Glück sind keine Totalausfälle dabei, im Gegenteil, alle sind irgendwie cool drauf und überhaupt bildet sich auf so einem Segelboot immer schnell eine Art Mannschaftsgeist. Den Rest erledigen der reichlich vorhandene Alkohol und das traumhafte Wetter, das dazu einlädt, die Nächte an Deck zu verbringen.

All das erinnert mich daran, dass ich dringend öfter Segeln gehen muss und auf meiner Projektliste für den Sommer unterstreiche ich fett den Punkt „Sportküstenschifferschein“.

Ich ahne, dass ich besser ein paar Punkte für die Zeit nach meiner Wiederkehr auf dem Zettel habe, damit ich nicht plötzlich planlos und gelangweilt bin, wenn diese nicht enden wollende Kette von Abenteuern und Erlebnissen plötzlich abreißt.

Das kleine Paradies

Kleine Paradiese findet man immer mal wieder, wenn man unterwegs ist, aber das Nest am 4K-Beach auf Koh Rong ist ein besonderes Juwel. Hier passt einfach alles. Die entspannte Bar, das gute Essen, die netten Mitarbeiter, die coolen Gäste und die relative Abgeschiedenheit. Es ist ein Ort zum verweilen. Eigentlich wollten wir auch auf die kleinere Nachbarinsel, aber schnell wird uns klar, dass wir im Nest bleiben wollen. Was bitte soll auf der anderen Insel schon besser sein als hier?

Hier, wo das Meer vor unserer Haustüre liegt und ich in der Hängematte, scheint die Welt in Ordnung zu sein. Für einen kurzen Moment sind wir Zeit-Millionäre. Aus der Bar kann man stundenlang auf das Meer schauen und auf den Matratzen dösen. Ich lese soviel, wie schon lang nicht mehr. Der Beat der Musik ist der niemals aufhörende Herzschlag dieser Oase und auch der eigene Herzschlag verlangsamt sich. Hier, wo alle Leute zu jeder Tageszeit Gras rauchen, kümmert es niemanden, dass das Internet nur in homöopathischen Dosen verfügbar ist, das Bier nicht immer kalt und die Dusche nicht immer warm ist. 

Nach dem Aufstehen schwimmen wir im Meer und nach dem Frühstück erkunden die umliegenden Inseln mit dem Jetski. Wenn es längst dunkel ist und wir rausschwimmen, beginnt das Meer zu leuchten. Floureszierendes Plankton verwandelt das unendliche Schwarz unter uns in ein leuchtendes Universerum aus abertausenden von funkelnden Sternen. In diesen Momenten, wenn der Himmel sowohl über als auch unter einem seine Unendlichkeit preisgibt, kann man sich für einen Moment selbst verlieren; und vielleicht muss man sich manchmal kurz selbst verlieren, damit man sich zu einem späterem Zeitpunkt wiederfinden kann.

Nun ist die Sache mit Paradiesen die, dass man nicht ewig dort bleiben kann (Danke, Adam und Eva!). Reisen ist wie das Leben selbst, es muss immer vorwärts gehen. 

Unsere Tage sind gezählt. Nicht nur die Tage hier im Paradies, sondern auch die Tage, in denen die K. und ich diese Erfahrungen miteinander teilen werden. Wir werden nun bald wieder unsere eigenen Wege gehen und unseren eigenen Träumen hinterherlaufen. Manche Träume lassen sich nicht gemeinsam verwirklichen und um sich selbst zu finden, muss man halt ganz bei sich sein.

Wir reden darüber, wie es sein wird, wenn wir uns wieder allein durchschlagen und dass wir schweren Herzens sind. Es wird eine erhebliche Umstellung sein, aber wir spüren auch die wohlige Aufgeregtheit, die uns flutet. Der Duft von absoluter Freiheit und Abenteuer liegt wieder in der Luft.

Alles hat eben seine Zeit.

24.654 Kilometer bis zum Meer

24.654 Kilometer bin ich gereist und jetzt stehe ich am Meer. Natürlich hätte ich das Meer auch schon in St. Petersburg sehen können oder in Shanghai. Habe ich aber nicht. Erst jetzt stehe ich auf Koh Rong Barfuß im schneeweißen Sand und blicke auf das kristallklare Wasser, das zugleich tiefblau und smaragdgrün ist. 

Ich frage mich, ob es eine Kindheitsprägung ist, dass man am Meer immer gleich mit einem wohligen Urlaubsgefühl geflutet wird. Hier, wo wir uns am leeren Strand in die Liegestühle hauen und Mango-Passionfruit-Shakes trinken, habe ich zum ersten Mal auf der Reise das Gefühl, irgendwo angekommen zu sein. Das ist natürlich Quatsch, denn Ankommen tut man bei einer Weltreise bekanntlich nie. Aber das Gefühl ist trotzdem wohlig. Ein kleines verdammtes Paradies, weit weg von allem.

Pittoreske Fischerboote liegen vor dicht bewaldeten kleinen Eilanden und ich liege da, wo das Wasser seicht ist und vergesse für einen Moment Raum und Zeit und alles um mich herum.