La capital mundial del mezcal

Oaxaca kann man nicht auslassen, wenn man durch México reist. In Mexico-City waren sich alle einig, dass es sich um eine der besten Städte Mexikos handelt. Ja, es hieß gar einmal, „Oaxaca ist alles was Mexico gerne sein möchte.“ Ich checke im „Casa Angel Hostel“ ein, das sich als ganz hervorragende Wahl entpuppt und von mir spontan in die „Top 5“ meiner Reise gewählt wird.

Auch die Stadt lässt keine Wünsche offen. Pittoreske kleine Häuschen im Kolonialstiel, feinste Kirchen und Klöster und alles in einer beachtlich großen Altstadt. Hier kann man sich ohne Weiteres planlos treiben lassen. Ich hänge in den Cafés an den belebten Plätzen ab und trinke Moka, eine Mischung aus Kaffee und Schokolade, weil die Region für ihre Schokolade berühmt ist. Beim Nichtstun beobachte ich die Leute auf dem zentralen Platz (Zócalo, wie er überall in Mexico heißt) und versuche meine Spanisch-Kenntnisse von Null auf 1% zu bringen.

Obwohl ich, was das Lernen von Sprachen betrifft, eher auf dem Niveau Totalversager rangiere, werde ich schnell besser im Speisekarten-Raten und Bestellen. Stolz trage ich im gehypten Streetfoodladen meine Tlayuda-Bestellung vor und nicke lachend, als die Omi hinter dem Tresen mich auf spanisch zuquatscht. „Si, si, con carne“, sage ich, während sie geduldig versucht, mir zu erklären, dass sie erst in zwei Stunden aufmacht. Ist halt noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Abends ziehe ich mit den Leuten aus dem Hostel los. Ich habe das Glück, mich in einer bunten internationalen Truppe interessanter Leute wiederzufinden und wir machen uns auf, um das Nr.1-Produkt der Region zu würdigen: Mezcal. Weltweit ist vor allem die Sorte Tequilia (die nur in der gleichnamigen Stadt hergestellt werden darf) bekannt, aber dass sich die Auswahl in manchen Bars über 20 Seiten der Getränkekarte erstreckt, lässt vermuten, dass der Weltöffentlichkeit in Sachen Agavenschnaps bislang einiges vorenthalten wurde. Viele der schicken Bars entsprechen so ganz und gar dem gängigen Mexiko-Klischee: Laute mexikanische Live-Musik in schnuckeligen Innenhöfen, die direkt aus einem Bildband gefallen sein könnten. Aber es gibt auch die Bars in den Garagen mit weißem Neonlicht und Plastikstühlchen, wo in Mikrodestillerien gebrannter Mezcal aus Plastikflaschen ausgeschenkt wird und man für fünf Euro (inklusive Essen) die Nacht seines Lebens verbringen kann.

An meinem letzten Tag in der Stadt buche ich noch eine Tour, weil zahlreiche „Must-Sees“ außerhalb der Stadt liegen. Mit paar Leuten vom Hostel besuchen wir eine Mezcal-Destillerie und lassen uns von den Locals erklären, wie die Herzen der Agven erst in Erdöfen tagelang schmoren, bevor sie mit einem Mühlstein zermahlen werden und dann eben den üblichen Fermentierungsprozess durchlaufen. Gegen das was sie hier herstellen, sei Tequlia bloß die Billigvariante, versichern sie uns noch bevor natürlich alles in einer exzessiven Verkostung noch vor dem Mittagessen endet. Am Nachmittag folgen noch einige Stunden zusammengepfercht im Minivan, um noch eine weitere Ausgrabungsstätte und einen Wasserfall zu besichtigen.

Beides gehört natürlich zu den krassesten beziehungsweise schönsten, größten, wahlweise aber auch ältesten der Welt. Wenn der nicht der Welt, dann jedoch der nördlichen Hemisphäre. Überhaupt hat jeder Ort von irgendwas irgendein Superlativ, das euphorisch angepriesen wird. Es wird eben so lange gesucht, bis man was einzigartiges gefunden hat. In Neuseeland, erinnere ich mich, wurden – mangels beeindruckend großer Delfine – eben die kleinsten Define der Welt angepriesen. Wie dem auch sei, der Wasserfall ist tatsächlich nicht übel, aber vermutlich hätte ich auch ohne ihn gesehen zu haben meinen Seelenfrieden finden können. Wasserfall-Sammelkarten habe ich ohne Ende im Gepäck, sogar noch mehr als Tempel-Sammelkarten. Und mich beschleicht das Gefühl, dass ich in den nächsten Wochen auch noch einen Schwung Ruinen-Sammelkarten ergattern werde. Auch Sehenswürdigkeiten unterliegen den Wirtschaftsgesetzten der Inflation.

Aber wenn ich schonmal hier bin, dann will ich auch das ganze Programm. Nur von mexikanischem Essen, Kaffe und Mezcal kann auch kein Reisender leben. Jedenfalls ist das die landläufige Meinung, die ich auf den letzten Metern auch nicht mehr in Frage stellen werde.

Grüner wirds nicht 

Hier in der Mekong-Region kann man noch ursprüngliche Natur erleben. Regen- und Monsunwälder bedecken jedes Fitzelchen der Erde bis hoch zu den Bergwipfeln. Zwar hat man sich auch in Laos größte Mühe gegeben, mit der Natur möglichst mies umzugehen, dennoch kann ich mich nicht entsinnen, zuvor schonmal eine derartige Vegetation gesehen zu haben. Der Ausdruck „sattes Grün“ muss hier erfunden worden sein.

Ist es eine grüne Hölle oder ein grünes Paradies? Viel spricht für Letzteres. Palmen  bestimmen das Landschaftsbild und blaue Wasserfälle spenden ersehnte Abkühlung. Die Altstadt von Luang Prabang ist nicht ohne Grund UNESCO-Weltkulturerbe und für ein Entwicklungsland ist die Infrastruktur zum Backpacken mehr als ausreichend – jedenfalls solange man kein ernsthaftes medizinisches Problem hat. 

Ernsthafte medizinische Probleme hatten zu Beginn des Jahrtausends jedenfalls einige Backpacker in Vang Vieng, wo wir auf unserem Weg Richtung Süden einen mehrtägigen Stop einlegen. Noch vor einigen Jahren war Vang Vieng der feuchte Traum aller Rucksackreisenden mit Drogen- und Alkoholproblem. Der ganze Ort war darauf ausgerichtet, den maximalen Exzess zu zelebrieren. „Tubing“ auf dem Nam Song-Fluss, Wandern, Klettern und Klippenspringen sind jedoch nicht immer die schlaueste Idee, wenn man Alkohol und Drogen konsumiert hat. Und so haben es die überwiegend jugendlichen Backpacker mit der Zeit geschafft, sich auf verschiedenste Art und Weise im Rausch umzubringen. Das „Krankenhaus“ in Vang Vieng ist allerdings eher keine spezialisierte Unfallklinik und der lange Transport nach Bangkok war dann für so Manchen die letzte Reise seines Lebens. Als 2011 ganze 22 Urlauber den Heimweg aus dem 25.000-Seelen-Ort im Frachtraum eines Flugzeugs antreten mussten, kam der laotische Präsident vorbei, hat nahezu alle Bars dicht gemacht und so den Normalzustand wieder hergestellt.

Wir sind nicht traurig drum, denn für derartige Eskapaden sind wir ohnehin zu alt. So können wir Vang Vieng als Homebase nutzen, um die umliegende Landschaft mit dem Kajak zu erkunden. 

Das berüchtigte „Tubing“ gibt es immer noch. Man lässt sich in einem LKW-Reifen den Fluss hinuntertreiben und kann an zahlreichen Bars Tankstopps einlegen. Auch wir machen an einer der Tankstellen am Flussufer halt, um ein nachmittägliches Bier zu trinken und dem ausgelassenen ballermannesken Treiben zuzusehen. Ich weiß nicht, ist es lustig oder panne? Der Pegel des Flusses ist für die Regenzeit eher niedrig, der Pegel der Tuber dafür umso höher. Es liegt nicht außerhalb meiner Vorstellungskraft, dass hier schon die oder andere Schnapsleiche mit dem Kopf gegen einen der Felsen gespült wurde.

Auch ohne Tubing haben wir in Laos mit kleineren und größeren Gefahren zu kämpfen. In Luang Prabang bin ich vollgepackt in ein Loch gerutscht als unter mir ein maroder Gullideckel nachgegeben hat. Auf dem Weg nach Vang Vieng hat gleich die ganze Passstraße nachgegeben. 

Angesichts der Erdrutsche und der Felsbrocken, die mitten auf der Straße liegen, kommt man kaum noch dazu, sich über die Warnung des Auswärtigen Amtes zu sorgen, dass es hier in letzter Zeit vermehrt zu bewaffneten Raubüberfällen auf Busse gekommen ist. Weder das eine noch das andere können wir ändern und außerdem ist dies ohnehin die einzige Straße die in unseren Zielort führt. Wenigstens fährt der Fahrer ausnahmsweise nicht wie ein Irrer, denn die Fahrt im Minivan müssen wir je zur Hälfte unangeschnallt auf dem Notsitz zwischen Fahrer und Beifahrer verbringen.  

Andere Gefahren hängen unsichtbar wie Damoklesschwerter über uns. Malaria und Dengue-Fieber sind nur zwei der Unannehmlichkeiten, die hier gerade in der Regenzeit besonders häufig vorkommen und vor denen man nur sicher ist, wenn man keinen einzigen Mückenstich abkriegt. Ein Ding der Unmöglichkeit im Urwald. Wir versuchen uns durch den exzessiven Konsum hochprozentigen DEETs zu schützen; in der gnadenlosen tropischen Hitze fließt einem das teure Zeug jedoch mit den Schweißbächen erst in die Augen und dann in die Flipflops. Man kann nur jedes Mal hoffen, dass die Mücke, der man gerade eine Blutmahlzeit spendiert hat, sich nicht mit einer potentiell lebensgefährlichen Krankheit dafür bedankt.

Noch geht es uns allerdings bestens – sieht man mal von kleineren Schnitt- oder Schürfwunden ab. Den Umstand wollen wir heute mit einigen Drinks würdigen und wir machen uns auf ins Nachtleben, um uns unter die anderen Backpacker zu mischen.