Natürlich habe ich keine guten Vorsätze für das neue Jahr, was mich jedoch nicht davon abhält, trotzdem mal wieder einen Blick auf meine Bucket-List zu werfen; freilich erst, nach dem ich einen Tag ausgekatert habe. Fallschirmspringen steht dort ganz oben und warum sollte man das nicht über dem Great Barrier Reef und dem Daintree Regenwald anstatt über einem deutschen Acker machen? Ich nehme also mal wieder ein Bündel australische Plastik-Dollarnoten in die Hand und werfe sie mit beiden Händen in den australischen Wirtschaftskreislauf. Langsam höre ich auf, über den Wert des Geldes nachzudenken. Geld ist nur buntes Papier und so lange es noch aus der Wand kommt, ist meines Erachtens alles in bester Ordnung. Das australische Geld ist wirklich schön und bunt, was hilft, es als eine Art Monopoly-Spielgeld zu betrachten. Wie in Südostasien: Ein paar Millionen hier, ein paar Millionen dort; wer weniger nachdenkt, hat auch weniger Sorgen. Außerdem war es ja mein erklärtes Ziel, meine Ersparnisse nicht für ein Auto oder die Anzahlung für eine Eigentumswohnung rauszuballern, sondern für was Nachhaltigeres, nämlich unvergessliche Erlebnisse.
Und jetzt, wo ich über das Rollfeld des Flughafens in Cairns gehe, ahne ich, dass dies bestimmt ein unvergessliches Erlebnis wird. Die Propellermaschine hebt zwischen den Quantas-Jets ab und ich sitze direkt an der „Tür“. Unten das Reef und der Regenwald während der Höhenmesser steigt, bis auf 15000 Fuß. Das ist immerhin knapp die Hälfte der Höhe, auf der Verkehrsflugzeuge fliegen – nur das ich mit diesem Flugzeug natürlich niemals irgendwo landen werde. Als die Tür aufgeht, sind wir über den Wolken. Angst habe ich nicht, aber der Moment, in dem einem klar wird, dass man sehr bald aus einem fliegenden Flugzeug springen wird, ist gefühlsmäßig mit nichts zu vergleichen, was ich jemals zu vor erlebt habe. Viel machen muss ich nicht, denn natürlich bin ich fest an Craig, meinen Instruktor, angeschnallt, denn irgendeiner muss ja schließlich wissen, was zu tun ist.
Wir sitzen schon an der Kante und warten, dass das Licht auf grün springt. Man ist in diesem Moment so voller Adrenalin, dass es im Nachhinein schwer zu sagen ist, woran man genau denkt. Ich nehme die besprochene Haltung ein und Craig stößt uns raus. Halbe Drehung, Blick nach oben, dort das Flugzeug, das mit offener Tür unbeeindruckt weiterfliegt, drüber nur die Sonne. Drehung in die Freefall-Position, die Arme ausgestreckt, unter den Wolken der Blick auf den Regenwald und das Meer. Man schwebt nicht, man rast mit 200 Km/h Richtung Erdoberfläche. Drehungen, Späße, Winken in die GoPro. 60 Sekunden dauert der Trip, bevor Craig den Schirm öffnet und ich wieder einen klaren Gedanken fassen kann. Ich darf den Schirm steuern, es ist verblüffend einfach. Ich frage Craig, wie viele Tandemsprünge ergemacht hat, bevor er sich das erste Mal allein aus einem Flugzeug gestürzt hat. „Einen, genau wie Du jetzt“, ist seine Antwort.
Aha, interessante Perspektive, denke ich und überlege sogleich, das Fallschirmspringen auf meine Liste neuer, sündhaft teurer Hobbies zu setzen. Jetzt gilt es aber erstmal sicher zu landen. Es gelingt und auch das scheint mir kein Hexenwerk zu sein. Als ich zum Bus gehe, ist der Adrenalin-Rausch längst noch nicht vorüber.Ich könnte sofort wieder ins Flugzeug steigen, genieße aber stattdessen lieber noch das Hochgefühl. Ich ahne jedoch, dass es nicht das letzte mal gewesen sein könnte.