Dali ist unsere Zwischenstation auf dem Weg zur legendären Tigersprungschlucht im Norden Yunnans. Die Altstadt ist szenisch gelegen zwischen dem Ěrhǎi-See und den „grünen Bergen“.
Deswegen, und weil das Leben hier entspannt ist, war Dali noch vor zehn Jahren die erste Anlaufstelle für westliche Hippies – dann kamen die chinesischen Touristen. Als wir ankommen, sehen wir nur noch wenige chinesische Touristen und noch weniger Westerners.
Man kann sich in der Altstadt ganz gut die Zeit vertreiben. Alles ist hübsch hergerichtet, aber echte chinesische Kultur kann man hier genauso wenig erfahren, wie man in Venedig echte italienische Kultur erfahren kann. Überhaupt scheint chinesische Kultur in China nach der Revolution stark vernachlässigt worden zu sein – und zwar überall im Land.
Trotzdem spürt man die Atmosphäre, von der die Anziehungskraft Dalis auf viele Reisende ausgeht oder vielleicht eher ausging. Außerdem gibt es hervorragendes Essen.
Abends in der „Bad Monkey Bar“, sitzen dann alle zusammen: chinesische Hipster, hängengebliebe Westerners jenseits ihrer besten Jahre und Durchreisende wie der S. und ich sowie die zwei Australier, die uns Gesellschaft leisten. Die chinesische Band spielt westliche Musik von Linkin Park bis Rage against the Machine.
Schon verrückt, denke ich. Da sitze ich nun im tiefsten China in dieser Bar, die von ihrem Steam-Punk-Setting her auch im Hamburger Schanzenviertel angesiedelt sein könnte und höre die Lieder meiner Jugend, die schon in unserem Stamm-Kellerclub im tiefen Ostwestfalen gespielt wurden – damals.
Noch vor zwei Jahren war ich Rechtsanwalt in einer großen Kanzlei und hätte mir niemals träumen lassen, dass ich mal nur mit einem Rucksack um die Welt reise. Und davor? In diesem Kellerklub, dessen Bilder durch die Musik gerade wieder an die Oberfläche meines Bewusstseins gespült werden? Damals hätte ich nie gedacht, dass ich mal Berlin wohnen würde und einen anständigen Job haben werde.
Hier schließt sich kein Kreis, denn es gibt keine Kreise im Leben – nur Geraden. Es gibt immer nur eine Richtung: vorwärts.
Wo werde ich in zwei Jahren sein, und was werde ich tun? Werde ich wieder sagen, dass ich mir das nie hätte träumen lassen?
Es ist ein großes Glück, dass ich es nicht weiß – so gehört meine Zukunft ganz mir.
Toller Blog! Bin begeistert!! Toller Schreiber! Wer weiß schon was im Leben passiert? Eventuell Gott? Aber sicher bin ich mir da nicht 😉😅
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