Im „the dog with two tails“ läuft Soul-Musik. Das gemütliche Café in Dunedin ist an diesem Tag mein Wohnzimmer, und wie ein Wohnzimmer ist das Café auch eingerichtet. Auf der Theke steht der RollsRoyce der Kaffeemaschinen, trotzdem schmeckt der Kaffee ein bisschen säuerlich. Unterextraktion würde der Barrista wohl sagen. Egal, nach dem seltsamen Gebräu im Hostel bin ich nicht pingelig.
Ich habe mein mobiles Büro aufgeschlagen und plane meine Weiterreise. Kreuz und quer bin ich bislang über die Südinsel gereist und nur noch einige Tage verbleiben mir in Neuseeland. Wie werde ich wohl in einigen Jahren an Neuseeland zurückdenken, frage ich mich, und wird mir der Grenzbeamte bei meiner Ausreise ein Feedback-Formular aushändigen? „Wie hat es Ihnen bei uns gefallen?“ Bitte ankreuzen: „gut“, „sehr gut“ oder „fantastisch“.
Nicht das ich im klassischen Sinne von Neuseeland enttäuscht wäre. Ich habe großartige Natur erwartet und ich habe großartige Natur bekommen. Ich habe ein sehr hohes Preisniveau erwartet und ich habe ein sehr hohes Preisniveau bekommen. Den Blick auf mein Konto versuche ich zu vermeiden, denn der hätte nur Schwindelgefühle zur Folge. Neuseeland ist ein Land für Menschen mit prall gefüllten Portemonnaies. Ein riesengroßer Freizeitpark, in dem man jede Achterbahn extra bezahlen muss. Ich beschwere mich nicht, all das habe ich gewusst – jedenfalls geahnt – und ich wollte diese Ecke der Welt ja unbedingt sehen. Und es gibt schließlich schlimmeres als den Besuch eines Freizeitparks. Keinesfalls bereue ich es daher, hergekommen zu sein. Meine Bucket-Liste hat sich jedenfalls enorm verkürzt, und Erlebnisse wie einen Bungy-Jump aus 135 Metern oder mit dem Helikopter auf einen Gletscher zu fliegen, werde ich ganz sicher niemals vergessen.
Trotzdem bleibt ein wenig der Beigeschmack, dass ich diese Erlebnisse (nur) eingekauft habe – so als ob das den Wert eines Abenteuers schmälern wurde. Na gut, um fair zu sein, den ein oder anderen kleineren Gipfel habe ich auch ganz selbst ohne Helikopter erklommen und der einzige Grund, warum ich heute im Café sitze, ist, dass ich die Tage in Dunedin so ausgiebig zum Surfen genutzt habe, dass ich mich jetzt kaum noch bewegen kann. Vielleicht ist das Passivitätsgefühl also auch eher subjektiv. Vielleicht waren aber auch einfach meine Erwartungen von den vielen begeisterten Erzählungen zu hoch gesteckt. Das Gefühl, etwas entzaubert zu haben, ist ja immer ein Begleiter beim Reisen aber hier, am sogenannten anderen Ende der Welt fühlt es sich besonders stark an – oder liegt es nur daran, dass der Zauber zu groß war, um es mit der Realität aufzunehmen?
Ein abschließendes Urteil werde ich wohl erst in einigen Monaten oder Jahren fällen können. Aber noch bin ich ja auch nicht fertig hier. Bislang war ich mit dem Bus unterwegs, was in Neuseeland zwar hervorragend möglich ist, den Gegebenheiten aber – wenn man ehrlich ist – nicht gerecht wird, denn Neuseeland ist ein Autoland. Ich habe mich zunächst eine Zeit lang geweigert, das einzusehen und gute Argumente haben gegen diese Variante gesprochen: Vier Wochen sind zu kurz um ein Auto – oder noch besser einen Campervan – zu kaufen. Kauf und Verkauf hätten mindestens eine Woche verschlungen. Andererseits sind vier Wochen aber auch zu lang um ein Auto zu mieten, ohne danach Privatinsolvenz anmelden zu müssen; jedenfalls dann wenn man die Entscheidung nicht wie die zahlreichen Urlauber ein halbes Jahr vorher treffen kann. Sich mit jemand Fremden kurzfristig zu verabreden, um die Kosten zu teilen, birgt immer das Risiko, an einen Menschen gebunden zu sein, der einem dann den letzten Nerv raubt. Im Nachhinein betrachtet hätte ich vielleicht einen anderen Weg finden sollen, aber hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer. Und weil ich noch einige Tage habe, ist es ja auch noch nicht zu spät. Ein fahrbarer Untersatz muss her!