Das gelobte Land

So hochgelobt wie Neuseeland war bislang wohl noch keines meiner Ziele. Ausnahmslos alle geraten ins Schwärmen, wenn das Gespräch auf Neuseeland kommt. Meine Erwartungen sind dementsprechend hoch. Sie können ja nicht alle irren.

Als das Flugzeug den gepriesenen Boden berührt, ist es jedoch mitten in der Nacht und dunkel und das erste was ich von Neuseeland zu Gesicht bekomme, ist Christchurch. Die Stadt wurde bekanntermaßen 2011 von einem schweren Erdbeben erschüttert – im wahrsten Sinne des Wortes. Nun mag man denken, dass das ja schon sieben Jahre her ist, trotzdem sieht es aus, als wäre es erst letzte Woche gewesen. 25% der Stadt sind Ruinen, 25% sind brandneu und 50% sind schlicht Baustelle. Was zum Teufel haben die denn hier die letzten sieben Jahre getrieben, frage ich mich wieder und wieder. Ich komme irgendwann für mich zu dem Schluss, dass es in diesem Land vielleicht einfach nicht genug Bauarbeiter für eine Baustelle mit der Größe von Frankfurt am Main gibt. Außerdem kann man erahnen, dass es hier 2011 ausgesehen haben muss wie Dresden ‘45 und Dresden wurde meines Wissens auch nicht innerhalb von sieben Jahren wieder aufgebaut. Diese Stadt wird jedenfalls in zehn Jahren ein einziges Freilichtmuseum für die Architektur der Zehnerjahre sein. Heute ist es allerdings nicht der beste Ort, um sich ein repräsentatives Bild von der (Süd-)Insel zu machen.

Dummerweise stecke ich hier jedoch einige Tage fest, denn weder nördlich noch südlich der Stadt gibt es auch nur ein einziges freies Hostelbett. Die Neuseeländer haben – wie die Australier – Ferien, aber von denen sehe ich hier kaum welche. Die Insel ist trotzdem überfüllt mit Touristen, hauptsächlich mit Deutschen. Es gibt hier ja bekanntermaßen mehr Schafe als Einwohner aber es gibt noch mehr deutsche „Work&Traveler“. Man muss sich gar fragen, ob überhaupt noch irgendjemand zwischen 18 und 20 Jahren in Deutschland ist. Aber auch ältere Deutsche trifft man hier. Die Frage, „Where are you from?“ kann man sich getrost sparen. Ist das hier etwa das Mallorca für Leute, die wahnsinnig genug sind, für drei Wochen Ferien ca. 60 Stunden im Flugzeug zu verbringen?

An Mallorca erinnert außer der allgegenwärtigen deutschen Sprache allerdings eher wenig. Nach kurzem Stop in Akaroa, einer Vulkanhalbinsel nahe Christchurch, geht es weiter ins nördlichere Kaikoura und ich bekomme langsam eine Ahnung davon, was hier landschaftlich so abgeht. Nach den sechs Monaten bin ich wahrlich nicht mehr ganz so leicht zu begeistern, aber während der dreistündigen Busfahrt schaue ich so gebannt aus dem Fenster, dass ich kaum dem Podcast folgen kann, den ich mir in die Ohren gestöpselt habe. Alles sieht genauso aus, wie auf den Titelbildern aller Reiseführer. Aber alles ist auch irgendwie Mittelerde; der Herr der Ringe wurde ja auch nicht zufällig hier gedreht. Menschenleer, irgendwie magisch. Was oberflächlich eher langweilig anmutet, grüne Hügel, Wald, ein paar Seen, dem wohnt jedoch irgendein schwer beschreibbarer Spirit inne, den man auch nicht mit der Kamera einfangen kann. So wie man ja echte Geister auch nicht fotografieren kann.

Es gibt hier aber auch ganz reales Entertainment, nämlich die Tierwelt. Pinguine, Wale, Delfine, Robben und die absonderlichsten Vögel. Wieder einmal bin ich erstaunt darüber, dass dieses ganze Getier hier wirklich in freier Wildbahn lebt. Bei manchen Tieren wundert man sich auch, dass es sie überhaupt außerhalb der Fabelwelt gibt. Offensichtlich hat der Mensch doch noch nicht alle Arten ausgerottet.

Ansonsten sind die Preise hier recht australisch, die Mentalität englisch und die Kultur … ja, welche Kultur eigentlich? Wenn man sich nicht gerade auf die Spuren der Ureinwohner begibt, die hier nicht Aborigines sondern Maori heißen, dann sucht man Kultur hier genauso vergebens wie gutes Essen.

Aber ich bin ja hauptsächlich für die Natur hier, die mich heute allerdings im Stich lässt. Ich stehe mit meinem Surfbrett am Strand, aber das Wasser ist so ruhig, dass man sein Spiegelbild sehen kann. Kein Swell, keine Breaks, keine perfekte Welle in Sicht.

Geduld ist – wie ich schon öfter festgestellt habe – eine der wichtigsten Surfer-Tugenden und der nächste Surfspot ist auf meiner Karte schon markiert.