„Glaube nur das, was du selbst als wahr erkannt hast.“ – Buddha
Dass man im Buddhismus an nichts glauben muss, kommt mir sehr gelegen. Ich habe nämlich keine Lust, mein Schicksal in die Hände eines höheren Wesens zu legen, dessen Existenz ich mir herbeiglauben muss und dessen Versprechungen mir nur vom Hörensagen bekannt sind.
Meine Sinnsuche fängt daher woanders an. Ich bin für drei Tage in einem buddhistischen Meditations-Retreat im nordthailändischen Urwald. Es ist eine Oase mit mehreren Meditationstätten, viel Grün, Feuerstellen, Bambusschaukeln und ruhigen Rückzugsorten mit Hängematten.
Hier in Pa Pae lerne ich mit zehn weiteren Leuten etwas über die Grundideen des Buddhismus. Weniger Religion als Lebenseinstellung, geht es um Wahrheit, Weisheit und Erkenntnis. Das sind Begriffe, mit denen ich etwas anfangen kann.
Leider gibt es Weisheit und Erkenntnis nicht geschenkt. Ich habe es geahnt, denn nichts, was es sich zu haben lohnt, kriegt man geschenkt im Leben. Der buddhistische Weg zur Erleuchtung heißt Meditation und ist um ein Vielfaches komplizierter als der bloße Glaube an einen Gott, der einen durch sein willkürliches Urteil möglicherweise irgendwann erlösen wird.
Meditieren heißt nicht bloß seinen Gedanken nachzuhängen, erklärt uns der Mönch. Es geht darum, einen bestimmten Status des Bewusstseins zu erreichen. Den gedanklichen Fokus auf die Mitte des Körpers zu legen und alles andere auszublenden, stellt mich und viele andere Teilnehmer jedoch vor eine schier unlösbare Aufgabe.
Der Geist ist immer in Bewegung und er hat eine eine Aufmerksamkeitsspanne, die gerade ausreicht, um eine WhatsApp-Nachricht zu lesen. Als hätte man ein hyperaktives Eichhörnchen im Kopf.
Ich hatte eigentlich angenommen, dass das mit ein bisschen fachkundiger Anleitung schon laufen werde. In Wahrheit ist es, wie das Erlernen eines Musikinstruments: Zunächst bluten einem die Finger und die Ohren und erst nach jahrelangem Üben lassen sich zum Beispiel einer Geige wohlklingende Töne entlocken.
Im Retreat stehen wir um 5.30 Uhr auf, singen zusammen und Meditieren. Nach dem Frühstück wird wieder meditiert bis zum Mittagessen. Nachmittags ein bisschen Gartenarbeit oder Dorfbesichtigung, bevor bis zum Schlafengehen wieder meditiert wird. Zwischendurch lehrt der Mönch interessantes über Buddhismus. Es ist unaufdringlich. Keiner versucht uns zu bekehren. Abgesehen vom einzigen anderen Deutschen, der pausenlos von Jesus redet, obwohl wir doch zum Schweigen angehalten sind. Als er von tollen freien Gemeinden in Berlin erzählt und mir die Kontaktdaten geben will, möchte ich ihm am liebsten eine Kopfnuss geben, um ihn zum Schweigen zu bringen. Aber das würde Buddha ganz sicher nicht erfreuen und außerdem übe ich mich hier ja in Gelassenheit.
Es ist Schwerstarbeit. Der Versuch eine Stunde fokussiert zu bleiben, ist eine Geschichte des Scheiterns. Wieder und wieder schweife ich ab. Es ist mir nicht möglich, mich auch nur auf meinen Atem zu konzentrieren. Stattdessen kreisen meine Gedanken um alles Mögliche. Aber das sei am Anfang normal, wird mir versichert. Der Weg ist eben lang und Buddha wurde auch nicht vom einen auf den anderen Tag erleuchtet.
Am dritten Tag kann ich kleinste Fortschritte verzeichnen. Ich bin froh, dass ich nicht die Zwei-Wochen-Variante gewählt habe. Ein wenig ärgert es mich schon, dass ich mich nicht zusammenreißen kann.
Trotzdem hat mich der Aufenthalt im Retreat bereichert. Buddhistische Lebensphilosophie überzeugt mich auch weiterhin in großen Teilen und erscheint mir als brauchbare Anleitung für ein glückliches Leben. Möglicherweise werde ich die Erleuchtung durch Meditation jedoch einstweilen auf einen späteren Lebensabschnitt verschieben. Das Rüstzeug habe ich ja nun im Gepäck.
Jetzt freue ich mich erstmal wieder auf ein kaltes Bier und eine Zigarette.