Do you speak English? – 不!

Im Reich der Mitte bin ich ein Analphabet. Kyrillisch kann man nach einer Woche Übung ganz gut entziffern, chinesiche Schriftzeichen nicht. Der Reise-Schwierigkeitsgrad ist mit der Einreise in das bevölkerungsreichste Land der Erde merklich angestiegen. Für die Chinesen ist man hier einfach nur ein Fremder. Sie wollen zwar Fotos mit einem machen, ob sie auch mit mir reden wollen, wenn wir denn nur eine gemeinsame Sprache teilen würden, erfahre ich nicht. 


In Peking komme ich mir vor, wie ein Zuschauer und die Versuche an etwas teilzuhaben sind mühsam, wie ich beim Versuch merke, am chinesischen mobilen Internet teilzuhaben. Da ich vermutlich länger hier bin, brauche ich eine SIM-Karte. Es beginnt eine Odyssee durch zwanzig Handyläden. Sie verkaufen alle keine SIM-Karten, schicken mich jedoch in alle Himmelsrichtungen. Auf meiner Offline-Karte können sie nichts lesen, ich solle einfach die Straße weiter runtergehen. Es ist eine endlos lange Hauptstraße mit unzähligen Geschäften. Die Suche dauert zwei Tage. Im mutmaßlichen Hauptquartier von China Unicom muss ich eine Nummer ziehen und ein Prozedere durchlaufen, das dem, der Berliner Bürgerämter in nichts nachsteht. Während ich eine Stunde warte, bete ich, dass die Person am Schalter wenigstens ein paar Worte Englisch spricht. Ich rufe einzelne Vokabeln auf meinem iPhone auf, während meine Augen die Wartehalle nach den jüngsten Chinesen absuchen, die ich für einen Übersetzungseinsatz verpflichten könnte.

Ich habe Glück, die Dame kann Englisch und nachdem ich eine gute halbe Stunde Formulare unterschrieben habe, auf denen ich kein Wort lesen konnte, meinen Pass abgegeben habe und ein Foto von mir hab machen lassen, bin ich im Besitz einer chinesischen SIM-Karte. Ich bin berauscht von dem Erfolg und genieße das beschränkte chinesische Internet, das ich sogleich dazu benutze, eine Bar für den Abend zu finden. 

Wir mischen uns unter die Locals in einer Hutong-Bar mit chinesischer Live-Musik. Hutongs sind in Peking die traditionellen Wohnviertel mit einstöckiger Wohnbebauung und engen Gassen – der ideale Ort um ein paar Bier abseits der überteuerten City-Bars zu trinken. 


Als meine Mitreisende eine Chinesin am Nachbartisch gestikulierend fragt, ob man drinnen rauchen darf, missversteht diese das als Einladung sich zu uns zu setzen. Der erste Kontakt mit den Einheimischen entsteht aufgrund eines Missverständnisses. Wir unterhalten uns kurz, aber sie nutzt die nächste Gelegenheit, um wieder an ihren Tisch zu verschwinden. Vermutlich wollte sie nur höflich sein und unsere Einladung nicht ausschlagen. Mich beschleicht das Gefühl, dass die Chinesen lieber unter sich bleiben.

An diesem Abend ziehen wir noch durch einige Bars in unserem Hutong und nehmen nicht nur eine undefinierbare Menge geistiger Getränke auf, sondern auch unzählige Eindrücke aus den Hutong-Gässchen, in denen an diesem Freitagabend auch die Chinesen ein bisschen die Sau rauslassen. 

Praktisch ist, dass es alle 50 Meter öffentliche Toiletten gibt, eine relativ neue Errungensschaft in den Hutongs. Klos sucht man in Bars und (vermutlich auch Wohnhäusern) nämlich vergeblich. Man kann nur ahnen, wo die Menschen früher ihre Notdurft verrichtet haben; aber wo es auch war, es schien der Verwaltung nicht in den Kram zu passen, als sie die Stadt 2008 für die Olympischen Spiele aufgemöbelt hat. Heute also alles kein Problem mehr – vorausgesetzt man legt keinen gesteigerten Wert auf Privatsphäre.

Autor: BuzzT1985

Highwayman, sailor, dam builder, starship captain, lawyer, still alive

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